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Bücher über kleine, große und fremde Welten

Zauberlied

Ach ja, die Fische und ihre Anerkennungssucht und ihr manchmal ungesunder Egoismus. Lassen wir ihn für heute beiseite und lernen eine junge Frau kennen, die meistens einfach nur gut und angenehm ist. Die positive Fischfrau ist: Bernsteinwein.

Bernsteinwein aus Elizabeth Scarboroughs Welt im Staat Argonia ist die erstgeborene Tochter von Wilhelm Sturmhaub, aus seiner Ehe mit einer Viertel-Fee. Bernsteinwein ist eine schöne junge Frau, hellgelbes Haar, grüne Augen, schlank (auch wenn sie am Anfang der Geschichte gerade nicht so schlank ist, da schwanger …).

Durch ihre Feenabstammung erklärt sich ein Teil ihres Charmes und Liebreizes. Alle mögen Bernsteinwein. Alle finden sie toll. Alle wollen mit ihr zu tun haben. Und alle wollen, dass es ihr gut geht oder sie beschützen. Ein weiterer Feenaspekt ist, dass man sich in ihrer Gegenwart einfach gut fühlt, so als sei man sehr wichtig für sie sei. Das mögen Menschen.

Empathisch und gut …

Bernsteinweins Halbschwester Gretchen ist anders als ihre schöne Schwester. Sie ist eine Hexe, ein kleine zwar, aber die Dorfkinder wollen manchmal nicht mit ihr spielen, weil sie anders ist. Dazu kommt noch, dass sie eine bronzefarbene Haut hat, während alle anderen hellhäutig sind. Alle wollen mit Bernsteinwein spielen. Nur: Das hübsche Kind spielt mit keinem von ihnen, wenn ihre Schwester nicht integriert wird. Basta. Gretchen geht ihr über alles. Sie ist ihre beste Freundin und sie lässt sie nicht im Stich: Wenn die anderen Knirpse nicht mit Gretchen spielen wollen, dann spielt sie auch nicht mit ihnen. Und so bringt sie die anderen dazu, dass Gretchen mitspielen darf und am Ende alle zufrieden sind.

Bernsteinwein hat nichts mit Magie und Hexerei zu tun, Es ist nicht ihr Ding. Aber sie hört sich Gretchens Erklärungen an, das, was Gretchen bewegt, wenn sie über ihre Profession spricht. Die Zauberei ist Bernsteinwein wichtig, weil sie für Gretchen wichtig ist. Das reicht, um ihrer Halbschwester aufmerksam zuzuhören und Anteil zu nehmen.

… und ein bisschen weltfremd

Die Kehrseite der hübschen, mitfühlenden Fischin ist, dass sie kaum in der Lage ist, ihren Haushalt selbst zu führen. Dafür lebt Bernsteinwein ein bisschen zu sehr in einem Wolkenkuckucksheim. Einfache praktische Arbeit schafft sie irgendwie nicht, und zwar nicht, weil sie zu blöd dafür ist oder das für unter ihrem Rang empfindet. Sie hat einfach kein Talent dafür. Glücklicherweise heiratet sie einen Fürsten, der später sogar König wird – und ist so dem leidigen Haushalt führen etwas enthoben. Und ihr Wesen führt dazu, dass Dienstboten sie mögen und sie sie gut behandelt.

Was Bernsteinwein aber überhaupt nicht kann, ist mit Konflikten umgehen. Die Idee, dass jemand ihr etwas Böses wollen könnte, hat in ihrem Kopf keinen Platz. Disputen, Diskussionen oder schlicht Zoff überfordern das ätherische Geschöpf. Und meist sind die Menschen ja auch nett zu ihr. Im  Falles des Falles hat sie eine einfache Verhaltensweise: Sie schläft schlichtweg ein. Und dann vergisst sie in ihrem Schlummer, was eigentlich los war.

Entscheidungen sind auch nicht ihre Stärke. Vor eine Wahl gestellt, tut sich die junge Frau extrem schwer, sich einer Option zuzuwenden. Morgens aufzustehen und ein Kleid zu wählen, kann schon mal etwas dauern.

Eine tolle Frau

An Bernsteinwein gibt es fast nichts zu meckern! Ok, sie ist ein bisschen zu vertrauensselig und manchmal ein wenig schusselig. Hier könnte die junge Frau noch ein wenig Nachhilfe brauchen – oder etwas mehr Lebenserfahrung. Aber bitte ohne die üblichen Härten, dass die Guten nämlich immer verbittert werden, wenn sie auf die Nase fallen. Es wäre schade um diese tolle Frau. Dass sie einfach einschläft, wenn ein Konflikt entsteht – ja, das ist in unserer Gesellschaft schwierig. Aber mal ehrlich: Ihr kennt doch bestimmt auch die ein oder andere Person, die Konflikten durch Aussitzen und Schweigen aus dem Weg geht. Das ist auch nicht anders oder besser.

Denn die Hauptsache ist, dass Bernsteinwein ein freundlicher und netter Mensch ist. Auch wenn Gretchen schon mal sagt, dass sie durchaus ein Aas sein kann – summa summarum ist die hübsche Maid jemand, den man gern um sich hat und von deren Sorte es ein paar mehr in der Welt geben könnte.

Und ich wünsche mir, dass sich jede und jeder ein paar Scheiben von ihr abschneidet.  Trotz ihres hohen Standes niemals eklig gegen andere, die anders sind. Hilfsbereit und angenehm. Freundlich und nett gegenüber den Dienstboten. Kein Dünkel, einfach jemanden anzusprechen. Und auch wenn das zu einem gewissen Teil ihrer Feenherkunft geschuldet ist: so what. Nehmt euch einfach ein Beispiel daran, dass man auch mal einfach gut sein kann.

Interessiert? Hier die Fakten:

Titel Zauberlied
Autor Elizabeth Scarborough
Seiten 308
Ausstattung Softcover
Verlag Fischer Taschenbuchverlag
Jahr 1987

Das Buch ist nur noch antiquarisch erhältlich.


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