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Das Chronoskop

Wer?

Protagonisten dieser ungewöhnlichen Geschichte sind Dr. Arnold Potterly, Professor für Alte Geschichte, und Jonas Foster, Lehrbeauftragter für Physik. Außerdem spielen Potterlys Frau Caroline und Fosters Onkel Ralph Nimmo noch eine wichtige Rolle.

Wohin?

Mit dem Chronoskop „geht“ es im eigentlichen Sinne nirgendwo hin: Man kann damit lediglich die Vergangenheit betrachten, wie mit einem Fernseher. Das einzige Exemplar, das jemals gebaut wurde, ist in den Händen der Regierung. Und die lässt – wie sich im Laufe der Geschichte herausstellt – niemandFen damit arbeiten (obwohl sie Heftchen mit Zeitbetrachtungsergebnissen herausgibt). Dr. Potterly will unbedingt mit dem Chronoskop das alte Karthago betrachten.

Im Lauf der Geschichte stellt sich heraus, dass ein Chronoskop eine Reichweite von etwa einem Jahrhundert hat. Weiter in die Vergangenheit kann man nicht sehen.

Wie?

Der Erfinder des Chronoskops entwickelte ein Gerät, dass die Bewegungen von Neutrinos aufzeichnen und diese Bewegungen in sichtbare Bilder umsetzen kann. Dabei machte er sich zunutze, dass der Neutrinostrom durch alles Mögliche abgelenkt werden kann. Diese Bewegungen kann man analysieren und dann in die Bilder der Materie verwandeln, die die Abweichung erzeugt hat. Foster entwickelt die Technik weiter, indem er die Neutrinos mit Hilfe künstlicher Magnetfelder noch besser in den Griff bekommt. Je weiter man jedoch in der Zeit zurück gehen will, desto trüber wird das Bild. Damit erklärt sich, warum man nur knapp 100 Jahre zurück blicken kann.

Warum?

Nach Ansicht Potterlys waren die Karthager viel bedeutender, als sie in der bisherigen Forschung dargestellt wurden. Leider wird sein Antrag zur Benutzung des Chronoskops von Thaddäus Araman (Leiter der Abteilung Chronoskopie) abgelehnt. Aber der Professor ist so von seinem Forscherdrang besessen, dass er den neuen Mitarbeiter Foster dazu überreden kann, die alten Unterlagen des Chronoskop-Erfinders ausfindig zu machen und illegal eines nachzubauen. Als er erfahren muss, dass er sein Forschungsziel aufgrund der technischen Einschränkungen nicht erreichen kann, wird er wütend.

Im Lauf der Geschichte erfährt auch Potterlys Frau von dem Chronoskop, das Foster im Keller des Professorenhauses baut. Sie will unbedingt ihre Tochter wiedersehen, die als kleines Mädchen bei einem Hausbrand ums Leben kam. Das möchte aber Potterly nicht, da er insgeheim befürchtet, an dem Brand schuld zu sein.

Foster schließlich will eigentlich nirgendwohin, er verfällt „nur“ dem Forscherdrang und dem Bastelinteresse und der Idee, allen Menschen die Möglichkeit zu geben, in die Vergangenheit zu schauen.

Sein Onkel Nimmo ist Ghostwriter für Wissenschaftler und Autor phantastischer Geschichten. Er hilft seinem Neffen, alle möglichen Unterlagen zu bekommen, besonders die, die den Bau des Chronoskops ermöglichen. Er ist im Laufe der Zeit immer faszinierter davon, warum die Regierung Dinge unter Verschluss hält und was es mit der ganzen Sache eigentlich auf sich hat. Außerdem sieht er eine Möglichkeit, Geld mit dem Verkauf der Geschichte zu machen und seinem Neffen auf seinem Weg in den akademischen Himmel zu helfen.

Was noch?

Auch wenn diese Geschichte keine Zeitreise im eigentlichen Sinn ist, soll sie hier erwähnt werden. Warum? Sie wirft meiner Ansicht nach eine interessante Frage auf, die auch für Zeitreisen gelten kann: Wie würde der Mensch, wenn er freien Zugang zu einer Zeitreisemaschine hat, mit dieser Möglichkeit umgehen?

Die meisten Geschichten über Zeitreisen handeln davon, dass irgendwer Hannibal hilft, Jesus beim Wasserwandeln zusieht oder Churchill die Hand schüttelt. Also das Treffen von Berühmtheiten oder die Veränderung der Vergangenheit. In „Das Chronoskop“ wird das „Zeitsehen“ von der Regierung unter Verschluss gehalten, weil (zu Recht?) die Befürchtung besteht, dass sich die Menschen gegenseitig ausspionieren. Gegen Ende der Geschichte fragt Araman die Delinquenten:

„Nun, wann hat die Vergangenheit begonnen? Vor einem Jahr? Vor fünf Minuten? Vor einer Sekunde? Ist es nicht klar, daß die Vergangenheit schon jetzt beginnt, in jedem Augenblick, der vergeht? Die Vergangenheit ist nur ein anderer Name für die lebendige Gegenwart. …“

Und, so bohrt er weiter, was machen wohl Menschen, die ein Chronoskop benutzen? Zu Anfang betrachten sie vielleicht ihre eigene Jugend oder ihre tote Mutter. Aber, so befürchtet der Leiter, schon bald werden allen die Möglichkeiten aufgehen, was man mit so einem Chronoskop anstellen kann: die Nachbarin beobachten und den Ehemann im Büro, der Arbeitgeber spioniert seinen Angestellten hinterher und der Geschäftsmann überwacht seine Konkurrenten. Eine Privatsphäre, so Araman, wird es nicht mehr geben.

Und DAS ist spannend. Wie viele würden wohl wie Dave im Buch „Zeitreisende sterben nie“ zurück reisen und sich selbst beobachten, wie sie mit einer früheren Liebe zugange waren. Und würden scheitern im Versuch, so eine unglückliche Geschichte aufzuarbeiten. Wer würde nicht versucht sein, die Geschichte der Großeltern im Dritten Reich genau zu erfahren – und dann vielleicht doch einzugreifen im guten Bemühen, die Welt besser zu machen? Wo liegt die Grenze zwischen dem Nutzen (die Polizei könnte alle Fälle aufklären und immer den Richtigen erwischen) und dem Schaden einer ständigen Paranoia?

Wie war’s?

Mir gefällt die Geschichte aus den oben genannten Gründen sehr gut. Zu lesen ist sie ein bisschen zäh – aber der Gedanke, der dahinter steht, sollte einem beim Thema Zeitreisen immer mit im Kopf bleiben. Auch und besonders, wenn wir uns mal wieder wünschen, die Uhr zurückdrehen zu können und alte Fehler auszumerzen. Vielleicht sollte man sich lieber darin üben, sich selbst seine Unzulänglichkeiten zu verzeihen …

Interessiert? Hier die Fakten:

Titel Das Chronoskop
Autor Isaac Asimov
Seiten 44
in Das Zeitfahrrad
Ausstattung Hardcover
Verlag Verlag Neues Leben Berlin
Jahr 1974

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