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Bücher über kleine, große und fremde Welten

Landschaften und ihre märchenhafte Bedeutung

Landschaften haben doch immer eine Bedeutung. Die muss gar nicht besonders abstrakt sein, sondern hängt vielmehr damit zusammen, was Menschen früher in den verschiedenen Landschaften erlebt haben. Selbstverständlich halten diese kollektiven Erfahrungen in den Landschaften der Märchen Einzug. Und das gilt für Märchen aus allen möglichen Ländern, wie wir beim Stöbern herausgefunden haben. 

Dunkler Wald

Wald – Ort der Gesetzlosigkeit 🙂

Der Wald: der Wald bildet den gesetzlosen Mittelpunkt in vielen europäischen Märchen. Hier ist alles erlaubt. Demzufolge tummeln sich auch die übelsten Schurken, die wildesten Tiere und die verirrtesten jungen Dinger hier. Wehe dem, der nicht mehr herausfindet. Hier ist aber auch Platz für wundersame Begegnungen. Vielleicht sind es die Blätter und Büsche, in deren Schutz sich magische und übernatürliche Wesen auf die Erde trauen.

Das Meer: das Meer ist klassischerweise der Ort, an dem Menschen nichts zu suchen haben. Obwohl das Meer schön und weit ist und vielen Menschen die Lebensgrundlage bietet, ist es gleichzeitig unzähmbar und gefährlich, selbst für die, die das Meer ihr Leben lang kennen. Ein Mensch kann eben nicht unter Wasser leben. Lebewesen, deren Lebensraum das Meer ist, können ihm daher uneinholbar entfliehen.

Die Berge: Berge scheinen für Menschen oft unbezwingbar zu sein. Trotzdem kommt der Mensch wortwörtlich nicht um sie herum – entweder weil sie wirklich im Weg sind (zur anderen Seite des Landes, zum Meer oder ins Landesinnere oder sonstwohin) oder weil der Mensch versucht, in ihnen Zuflucht zu finden. Das geht mal mehr, mal weniger gut. Entweder der Berg ist den Menschen wohlgesonnen oder sie sehen sich plötzlich extremer Kälte, Höhe oder Schroffheit ausgesetzt. 

Die Wüste: Endlos und weit – die Wüste bietet nicht viel außer Hitze am Tag und Kälte in der Nacht. Fremde sollten sich nicht in sie verirren, denn da sie in alle Richtungen gleich aussieht, ist es schwer, wieder aus ihr herauszufinden. Und dann läuft Mensch Gefahr zu verdursten oder einen Hitzschlag zu erleiden (tagsüber) beziehungsweise zu erfrieren (nachts). Wer sich auskennt und entsprechend ausgestattet ist, kann in der Wüste gut klarkommen. Dann gilt es nur noch, die Langeweile zu besiegen, die einen überkommen kann, wenn einfach nichts passiert.

Der Fluss: Ein mögliche Grenze zwischen den Welten? Ein schwer zu überwindendes Hindernis? Der Fluss ist für manche Tiere Lebensraum und für andere eine große Gefahr. Tiere, die in ihm leben und Tiere, die ihn fürchten, sind oft sehr gegensätzlich und sich naturgemäß nicht wohlgesonnen.

Und was ist eigentlich in unseren Büchern los?

Tanabata: Hier ist der Wald ein verwunschener Ort, an dem der Held die Liebe seines Lebens trifft. Dass sie nicht von dieser Welt ist, merkt er erst später …

Die vier Freunde: Hier ist der Wald der Ort, in dem Magie geschieht. Wo Menschen unbeobachtet unbedachte oder sogar gefährliche Dinge durchführen können und dabei vielleicht auch die eine oder andere Lektion lernen.

Das Krokodil und der Affe: Die beiden Tiere, um die es in diesem indischen Märchen geht, sind eigentlich Feinde. Trotzdem werden sie Freunde, obwohl eines von ihnen im Fluss und eines quasi darüber wohnt. Aber ob so eine Freundschaft gut geht?

Die verheiratete Meermaid: Das Land ist  für viele Meermenschen ebenso faszinierend wie das Meer für uns Landmenschen. Bei einem Besuch auf dem unvertrauten Element müssen die Meeresbewohner*innen gewisse Gesetzmäßigkeiten einhalten, genauso wie bei der Rückkehr ins Meer. Gelingt das nicht, bleiben sie womöglich gefangen in einer Welt, die sie nicht kennen. Die Meermaid findet einen Weg zurück zu ihrem eigentlichen Ehemann im Meer. Auch wenn das bedeutet, dass sie ihren menschlichen Mann und ihr halbmenschlichen Kinde nie wiedersieht.

Der Schmaus der Zwerge: Aslog, Tochter eines reichen Mannes flüchtet mit ihrem Geliebten Orm in die Berge, da sie ihn aus Standesgründen nicht heiraten darf und ihr Vater wegen ihrer verbotenen Liebschaft stinksauer auf sie ist. Die Berge und eine darinliegende Höhle bieten den beiden zunächst Schutz, doch sie werden entdeckt und müssen das eigentlich sichere Zuhause wieder verlassen. 

Die Karawane: In Wilhelms Hauffs Erzählung dient die Wüste als Spielort der Rahmenhandlung. Eine Truppe von Kaufleuten durchquert die Wüste. Ein Neuling aus ihrer Mitte hält die Ereignislosigkeit der Wüste nicht aus und fordert seine Mitreisenden auf, bei jeder Pause eine Geschichte zu erzählen. 

Hänsel und Gretel: Die Familie der beiden Kinder lebt im Wald. In diesem Wald ist es gefährlich, denn man verirrt sich leicht. Das nutzen die Eltern aus, als sie die Kids aussetzen wollen. Es gibt Tausende von Vögeln und leider auch eine böse Hexe …

Schneeweißchen und Rosenrot: Für diese beiden braven und freundlichen Mädchen gibt es keine Gefahr. Alle lieben sie und niemand ist der Ansicht (wie etwa bei Rotkäppchen), dass sie ein leckerer Snack zur Abendstunde sein könnten. Daher können die Schwestern ungehemmt im Wald übernachten und am Fluss entlanggehen – bis auf einen miesepetrigen Zwerg sind alle nett.

 

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Fotos:
Wald © Elke Sawistowski/PIXELIO

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