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Bücher über kleine, große und fremde Welten

Die Besucher

Wer?

Vier Personen werden im Jahr 2484 vom Zentraldenker ausgewählt, drei Männer und eine Frau. Fast alle müssen ihren Namen ändern und sie tarnen sich als Geometer, die die Strecke einer neuen Anschlussstraße vermessen. Die Personen sind:

Rudolf Philipp, der Akademiker: Er arbeitet in der Sektion Historische Forschung, hat ein großes Faible für den späteren Nobelpreisträger Adam Bernau und wünscht sich sehr, seinem großen Idol begegnen zu dürfen. Als er dann dem Rotzbengel Adam gegenübersteht wird er ein bisschen ernüchtert … In der Vergangenheit behält er seinen Namen, ist angeblich Ingenieur und Leiter der Geometer.

Leo Kane, der Leiter des Technischen Museums der Vergangenheit: Er hat drei Kinder, die er eigentlich gar nicht verlassen will. Außerdem lebt er in ständiger Sorge um die Artefakte seines Museums, vor allen Dingen findet er es extrem barbarisch, den Niva hergeben zu müssen, damit man ihn als Modell nehmen kann. In der Vergangenheit nennt er sich Emil Karas und ist der Fahrer eines Transportbauunternehmens.

Jaques Michell: Er ist Facharzt, Epidemologe und Spezialist für Krankheiten der Vergangenheit und erprobt gerade die Grippe, als man ihm mitteilt, dass er an der Expedition in die Vergangenheit teilnehmen soll. Er habe keine Zeit, sagt er, er habe sooooo lange geforscht und jetzt – endlich – habe es geklappt mit den Halsschmerzen und der verstopften Nase. Egal, wird ihm gesagt, er solle einfach das Gegenmedikament schlucken und sich auf den Weg machen. Er muss sich Michael Noll nennen und macht den Expeditionsarzt.

Emilia Fernandez, die Psycholinguistin: Sie kann sich mit Tieren unterhalten, sieht hübsch aus und hat gerade einen netten jungen Mann kennen gelernt, als sie zu der Reise berufen wird. Sie heißt fortan Katja Jandova und ist die Assistentin in besagtem Transportbauunternehmen.

Wohin?

Die Reise geht ins Jahr 1984 in das böhmische Städtchen Kamenice.

Wie?

Alle Technik der Zeitmaschine und auch diverse Extras (zum Beispiel Tarnvorrichtungen oder die Fähigkeit, sich auch unter der Erde fortzubewegen) werden in einen Nachbau eines Geländewagen der Marke Niva VI mit Allradantrieb eingebaut. Er ist blau. In diesen setzen sich die vier Expeditionsteilnehmer. Am Ende des Countdowns flammt am Himmel ein bunter, regenbogenähnlicher Kreis auf, die Zeit scheint stillzustehen, die Luft erstarrt, wird glasig und platzt dann nach außen weg. Im Inneren des Wagens verändert sich nichts, nur die Zeituhr läuft rückwärts und Katja zählt auf, was jetzt gerade in der jeweiligen Zeit passiert: „Jetzt bin ich gerade geboren worden“ etwa.

Und dann setzt der Niva sanft auf einem Abhang auf. Hätte der Akademiker nicht sinnlos und ungeduldig auf die Knöpfe gedrückt, wären die Reisenden wahrscheinlich nicht an einer so ungünstigen Stelle gelandet, sondern wie geplant auf der Straße.

Unklar bleibt, ob die Zeitmaschine nun in dem Niva eingebaut ist oder rein von außen gesteuert wird. Oder ob es eine Mischung von beidem ist …

Warum?

Am Freitag, den 3. März des Jahres 2484 um 6.30 Uhr entdeckt der Zentraldenker (der große Computer der Menschheit sozusagen) im Sternquadrat G 37 ein unbekanntes Objekt, das sich auf einer langgestreckten Bahn in Richtung Erde bewegt. Wahrscheinlich ein Komet. Und in 170 Tagen wird es die Erde treffen. Der Zentraldenker löst Alarmstufe Eins aus.

Sofort wird der Weltrat einberufen, um über die Situation zu beraten. Alle Mitglieder kommen zusammen, die Delfine werden zugeschaltet (die sind in unserer fernen Zukunft nämlich auch als vernunftbegabte Wesen anerkannt und die Verständigung klappt hervorragend) und man versucht, eine Lösung zu finden, die weder eine neue Eiszeit noch andere Katastrophen bringt oder die  halbe Menschheit auslöscht.

Schließlich, alle sind vom vielen Reden und Überlegen schon ganz erschöpft, meldet sich der Akademiker Philipp zu Wort: Adam Bernau könne helfen, behauptet der Historiker. Der habe nämlich 1984 eine Erfindung gemacht, die es einem ermögliche, ganze Kontinente oder Welten im Raum zu verschieben. Und das könne doch die Rettung der Erde sein … Leider habe Bernau das Heft mit den Aufzeichnungen in einem Brand verloren – aber, so der Akademiker, man könne ja eine Expedition in die Vergangenheit machen! Die Errungenschaft dieser Möglichkeit verdankt die Menschheit übrigens auch Adam Bernau: Der spätere Nobelpreisträger entdeckte das Prinzip des Zeit- und Raumsprungs.

Und so werden die vier Reisenden ausgewählt, das „blaue Heft“, das die Aufzeichnungen Bernaus enthält, vor den Flammen zu retten und zu diesem Zweck bekommen sie neue Namen und Kleidung und müssen erst einmal lernen, wie man sich richtig kleidet im Jahr 1984 in der damaligen Tschechoslowakei.

Was noch?

Natürlich muss so eine Reise vorbereitet werden. Und so dürfen die Expeditionsteilnehmer für eine kurze Zeit ins Museum ziehen, in dem ein originalgetreuer Nachbau des Bernauschen Elternhauses steht. Hier lernen die vier alles, was sie wissen müssen, um sich in der Vergangenheit angepasst benehmen zu können. Außerdem üben sie, als Feuerwehrleute verkleidet das „blaue Heft“ aus den Flammen zu bergen. Und zwar ohne allzu viel Aufsehen zu erregen.

Als die Reise dann losgeht, wird es komplizierter als gedacht. Nicht nur, dass die Retter der Menschheit eine vollkommen andere Vorstellung von dem berühmten Heft haben und das dann als allererstes gar nicht aus den Flammen retten, sondern die Schultasche Adams (mit den schlechten Matheergebnissen) – nein, sie versuchen auch ihren Fehler wieder gutzumachen, verwickeln sich dabei aber immer weiter in unmögliche Situationen. Urkomisch ist etwa, als sie das Einkaufen entdecken. Geld haben sie wie Heu, aber das Prinzip des Einkaufens ist ihnen total fremd. Und so denken sie zuerst, dass man ein Geschäft nur dann betreten darf, wenn man zuvor Glasflaschen abgibt, bis Emilia/Katja entdeckt, dass es auch Leute gibt, die ohne Flasche in den Laden gehen.

Kane/Karas legt sich in dem Kaufhaus einen Toaster zu, der Doktor schüttelt sich vor Ekel bei den ganzen Fleischbergen in der Schlachterei (in der Zukunft isst man nur Eier und Obst) und Katja kauft vier Pelzmäntel …

Wie war’s?

Die Zeitreise an sich ist unspektakulär, wie oben beschrieben. Was urkomisch ist, ist die Vorbereitung auf die Reise. Wenn Akademiker Philipp sich seinen Kollegen im Frack präsentiert und denkt, dass das die normale Kleidung ist, weil Bernau sie bei seiner Nobelpreisverleihung getragen hat. Oder Katja, die sich zum Abendessen so richtig in Schale wirft und nicht weiß, was sie davon halten soll.

Lustig ist auch, wie die Reisenden sich in der Vergangenheit die Reaktionen der Menschen um sich herum zu erklären versuchen. Wie sie nicht wissen, wie man zum Beispiel in ein Hotel eincheckt, nach erfolgreicher Buchung der Zimmer aber ordnungsgemäß alles desinfizieren und so weiter.

Es ist eine sehr liebevolle lustige Geschichte. Alle Charaktere werden in ihrem Sosein dargestellt, immer mit einem zwinkernden Auge und mit einem ironischen Blick auf unsere Gesellschaft. Ich habe herzhaft gelacht und mich köstlich amüsiert.

Interessiert? Hier die Fakten:

Titel Die Besucher
Autor Ota Hofman
Seiten 198
Ausstattung Hardcover
Verlag Verlagsgesellschaft Schulfernsehen
Jahr 1983

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